Circle of Competence: Der Weg zum Erfolg

Circle of Competence, dass ist – neben der Margin of Safety – das zentrale Element des konzentrierten Value Investings, wie es Warren Buffet praktiziert. Frei übersetzt wir aus dem Circle of Competence der Kompetenzkreis. Doch was heißt das? Stürzen wir uns zuerst in den Begriff der Kompetenz. Hier eine (von vielen) Definitionen:

Unter Kompetenz wird in der breiteren Bildungsdiskussion allgemein die Verbindung von Wissen und Können in der Bewältigung von Handlungsanforderungen verstanden. Als kompetent gelten Personen, die auf der Grundlage von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aktuell gefordertes Handeln neu generieren können. Insbesondere die Bewältigung von Anforderungen und Situationen, die im besonderen Maße ein nicht routinemäßiges Handeln und Problemlösen erfordern, wird mit dem Kompetenzkonzept hervorgehoben

https://www.bibb.de/de/8570.php#:~:text=Unter%20Kompetenz%20wird%20in%20der,gefordertes%20Handeln%20neu%20generieren%20k%C3%B6nnen.

Zusammengefasst, kann man sagen, dass Kompetenzen folgende Eigenschaften haben:

  1. Lösungsorientierte Handlung
  2. Verbindung von Wissen und Können (Fähigkeit + Fertigkeit)
  3. Bewältigung außergewöhnlicher, nicht routinemäßiger Situationen

Die Sortierung ist nicht zufällig, lasst sie uns durchgehen:

Kompetenzen sind praktisch ausgerichtet. Sie werden eingesetzt, um ein Problem zu lösen, nicht um es zu besprechen. Das Problem des Investors ist sicherlich die Unternehmensbewertung.

Um uns diese Kompetenz aufzubauen, benötigen wir ein hohes Maß an Wissen. Dieses bauen wir durch eigene Erfahrung auf oder werden darüber von außen in Kenntnis gesetzt. Einen Sachverhalt, den wir „wissen“, müssen wir im Ergebnis zuverlässig beschreiben können.

Können wiederum beschreibt das persönliche Vermögen etwas zu tun. Dieses besteht aus angeborenen Fähigkeiten (z.B. Aufmerksamkeitsspanne) und angelernten Fertigkeiten (z.B. Lesen und Schreiben).

Dies hilft und nun dabei Außergewöhnliches zu bewältigen:

Dabei kommt es nicht darauf an, dass man historische Daten extrapoliert (Routine), das Geschäftsmodell soweit versteht, dass man dessen Einflussfaktoren und deren Wirkung kennt. Da wir als Value Investoren vermehrt in außergewöhnliche Situationen investieren (speziell im Deep Value), ist Kompetenz dringend nötig.

Praktische Kompetenzen

Im Streben nach erfolgreichen Investitionen spielt der Circle of Competence eine zentrale Rolle im Wertpapierhandel. Dieser Ansatz, der von Investoren wie Warren Buffett geprägt wurde, betont die Bedeutung, sich auf das zu konzentrieren, was man am besten versteht. In diesem Kontext ist es entscheidend, den eigenen Kompetenzkreis zu erkennen und ihn als Leitprinzip für Investitionsentscheidungen zu nutzen.

Nun werfen wir einen genaueren Blick auf praktische Anwendungen des Circle of Competence und wie Investoren diesen Ansatz nutzen, um erfolgreiche Strategien zu entwickeln. Diese Beispiele illustrieren, wie eine gezielte Konzentration auf vertraute Bereiche dazu beitragen kann, fundierte Entscheidungen zu treffen und langfristig erfolgreiche Investitionen zu tätigen.

1. Fachkenntnisse in der Technologiebranche:

Stellen wir uns einen Investor vor, der über jahrelange Erfahrung in der Technologiebranche verfügt und die dynamische Entwicklung dieser Industrie genau versteht. Sein „Circle of Competence“ konzentriert sich auf Unternehmen wie führende Technologieunternehmen, Halbleiterhersteller oder innovative Softwareentwickler. Durch diese Expertise kann er präzise Analysen durchführen und vielversprechende Investitionsmöglichkeiten innerhalb seines Fachgebiets identifizieren.

2. Regionaler Fokus:

Ein anderer Investor hat tiefgreifende Kenntnisse über eine bestimmte Region oder Markt. Sein Circle of Competence erstreckt sich auf Unternehmen innerhalb dieses geografischen Gebiets, was ihm ermöglicht, lokale Wirtschaftstrends und regulatorische Rahmenbedingungen genau zu verstehen. Durch diesen regionalen Fokus kann er gezielt Unternehmen auswählen, die vom spezifischen Umfeld profitieren.

3. Spezialisierung auf bestimmte Unternehmensgrößen:

Ein Investor könnte sich bewusst auf Unternehmen einer bestimmten Größe konzentrieren, wie zum Beispiel kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) oder etablierte Blue-Chip-Unternehmen. Dies ermöglicht eine eingehende Analyse und ein tiefgehendes Verständnis der spezifischen Herausforderungen und Chancen, die mit der Unternehmensgröße verbunden sind.

4. Verständnis für Geschäftsmodelle:

Ein weiterer Investor hat sein Wissen auf verschiedene Aspekte des Einzelhandels ausgedehnt, basierend auf einer Spezialisierung in Einzelhandelsunternehmen. Von traditionellen Ladenmodellen bis hin zu E-Commerce-Plattformen kann er Geschäftsmodelle eingehend analysieren und somit vielversprechende Investitionsmöglichkeiten innerhalb des Einzelhandelssektors identifizieren.

5. Beruflicher Hintergrund in der Gesundheitsbranche:

Stellen wir uns einen Investor vor, der einen beruflichen Hintergrund in der Gesundheitsbranche hat. Dieser Investor kann sein Fachwissen nutzen, um Unternehmen im Gesundheitssektor zu analysieren. Das Spektrum reicht dabei von Pharmaunternehmen über Biotechnologieunternehmen bis hin zu Herstellern medizinischer Geräte.

6. Analyse von Nischenmärkten:

Ein weiteres Beispiel könnte ein Investor sein, der sich auf Nischenmärkte oder spezialisierte Branchen fokussiert. Dieser Investor analysiert möglicherweise Unternehmen, die in den Bereichen erneuerbare Energien, nachhaltige Technologien oder künstliche Intelligenz führend sind. Durch diese Nischenanalyse kann er innovative Unternehmen identifizieren, die in ihren Segmenten eine Schlüsselrolle spielen.

Diese Beispiele verdeutlichen, wie Investoren ihren „Circle of Competence“ auf verschiedene Arten und Weisen anwenden können, abhängig von ihren individuellen Stärken, Erfahrungen und Interessen. Durch die gezielte Konzentration auf vertraute Bereiche können Investoren besser informierte Entscheidungen treffen und langfristigen Erfolg auf dem Markt erzielen.

Wissen & Können aufbauen

In einem ersten Artikel zur Fundamentalanalyse schrieb ich bereits über die Notwendigkeit des persönlichen Interesses an Geschäftsberichten und Geschäftsmodellen. Ohne dieses wird die Aneignung von unseren Ansprüchen genügendem Wissen schnell zur Qual.

Wissen kann, wie oben stehend beschrieben, durch eigene Erfahrung aufgebaut oder vermittelt werden. In der Realität vermischen sich hier die Grenzen. Ich möchte daher folgende Unterteilung vorschlagen: Wissen, dass wir am Wegesrand aufsammeln (Wegesrandwissen – Vertrautland) und Wissen, dass wir uns zusätzlich erwerben müssen (Erwerbswissen – Neuland).

Wegesrandwissen nimmt man eventuell über seinen Beruf, als Kunde oder als Gesprächspartner mit. In meinem Fall wäre das Wegesrandwissen mein Wissen über die Küchenmöbelindustrie. Davon ausgehend gibt es Bereiche, in die thematische Absprünge erfolgen, ohne tiefes Wissen zu erwerben (z.B. die Bauwirtschaft). Dieses Wissen lässt sich für das persönliche Investieren recyclen. Es ist günstig, aber thematisch begrenzt.

Erwerbswissen wird hingegen ausdrücklich vor dem Hintergrund der Investitionsabsicht erworben. Wenn wir nicht aufpassen, droht es zum genauen Gegenteil des Wegesrandwissens zu verkehren: Thematisch unbegrenzt und sehr teuer (im wahrsten Sinne des Wortes).

Meine Beobachtungen zeigen interessanterweise darauf hin, dass wir Privatinvestoren dazu neigen, uns im Neuland, statt im Vertrautland zu bewegen. Meine Vermutung ist, dass uns unsere Kompetenz erdet. Im Vertrautland kennen wir Licht und Schatten und haben die Möglichkeit, uns kritisch mit Gewinnversprechungen auseinanderzusetzen. Im Neuland können wir noch nicht kritisch denken. Da wir jedoch häufig durch hohe Rendite-Versprechungen zu Neulandaktien hingezogen werden, durchleben wir eine psychologisch gefährliche Phase. Eine Phase, in welcher wir gerne investieren würden, es aber im Grunde nicht dürfen, da wir noch keine Kenntnisse haben. An jeder Stelle des Prozesses sind wir dazu verleitet, eine Abkürzung zu nehmen, um diese innere Spannung aufzulösen.

Ein vernünftiger Umgang mit Neuland und Vertrautland ist notwendig Mein Favorit ist dabei die Konzentration auf Vertrautlandunternehmen. Jeder von uns hat einen Bereich besonders hoher Expertise. Das ist unser Kapital. Von diesem Bereich aus, können wir in angrenzende Bereiche vorstoßen, und unsere Kompetenz Schritt für Schritt erweitern. Hier ein Beispiel aus meinem Kompetenzbereich:

Ausgehen von der Küchenmöbelindustrie (z.B. Nobia, Howdens, TCM), beginne ich mich in Unternehmen der Geräteindustrie einzuarbeiten (z.B. Siemens, Electrolux oder Whirlpool), dann wechseln wir in den Wohnungsbau (z.B. Vonovia) oder in den Möbelhandel (z.B. Westwing). Das alles ist ein Prozess über viele Jahre und sollte daher Interessengetrieben sein. In meinen Augen ist das der Königsweg, da wir uns so selbst weiterentwickeln können und hinter jeder Kennzahl oder Größe eine Geschichte sehen. Wir bauen unser Haus auf festem Fundament.

Im Neuland würde ich ggf. direkt in den Halbleitersektor springen und NVIDIA kaufen. Das Thema ist sexy und verspricht schnellen Reichtum. Das kann stimmen, aber ich kann es nicht ad hoc beurteilen. Trotzdem ist es psychologisch schwer an solchen Unternehmen dauerhaft vorbeizugehen. Das Gras ist eben immer grüner auf der anderen Seite.

Ich für meinen Teil habe meinen Frieden damit gemacht, dass ich mich zum Neuland hingezogen fühle. Natürlich erfolgt dabei ein gewisser Forschungsaufwand, natürlich achte ich dabei auf die Bewertung, aber wir sind hier näher an der Spekulation als an der Investition. Wir arbeiten maximal am äußeren Rande unseres Kompetenzbereichs. Zum Selbstschutz gilt es einige Regeln oder Prinzipien aufzustellen.

VertrautlandNeuland
Positionsgrößehochniedrig
Fokus auf kurzfristige Newsmittelhoch
Qualitätsanspruch an Bilanz und GuVniedrig – hochhoch
Anspruch an Wachstumsgeschichtemittelhoch
Gegenüberstellung von Regeln im Vertraut- und Neuland

Aus geringerer Kompetenz folgt ein höheres Maß an Vorsicht. Langfristiges Denken wird durch kurzfristigeres Denken ersetzt, wir beobachten das Unternehmen und seine Geschichte häufiger und vielleicht sogar mit einer größeren Nervosität. Die Unternehmensbewertung fällt uns schwerer, wir kaufen daher nur solide Unternehmen, welche kein Risiko eines Bankrotts aufweisen (keine Turnarounds). Das alles führt zu einer geringeren Positionsgröße, damit wir nachts in Ruhe schlafen können, wenn der erste Zauber des Investments verflogen ist. Über diese Maßnahme bilden wir indirekt eine höhere Sicherheitsmarge ab.

Meine Positionsgrößen bestimme ich stets auf Basis der vorliegenden Sicherheitsmarge. Je höher die Sicherheitsmarge, umso größer die Position. Ich arbeite dabei stufenweise, um bei nennenswerten Kursabschlägen auch nennenswert nachkaufen zu können. Im Neuland sind die Positionsgrößen um jeweils eine risikoärmere Stufe versetzt.

Sicherheitsmarge –> (Preis/Wert -1)%VertrautlandNeuland
-33% (+50% Return)2%
-50% (+100% Return)5%2%
-67% (+200% Return)10%5%
-75% (+400% Return)20%10%
Sicherheitsmarge und Positionsgröße nach Kompetenzgrad

Die Positionsgrößen nutze ich für meinen Kaufplan und auch als Anhaltspunkt für meinen Verkaufsplan. Im Ergebnis kaufe ich selten und verkaufe im Erfolgsfall relativ zügig.

Sollten wir partout nicht widerstehen können in Neulandaktien zu investieren, dann setzen wir auf eine höhere Diversifikation und arbeiten uns nach und nach in das Unternehmen ein.

Dennoch: Das wichtigste Element ist, da wir nur dort investieren sollten, wo unsere Kompetenz liegt. In den Worten von Warren Buffett: „Der Unterschied zwischen erfolgreichen Menschen und sehr erfolgreichen Menschen besteht darin, dass sehr erfolgreiche Menschen ‚Nein‘ zu fast allem sagen.“ Daher ist es entscheidend, die eigenen Grenzen zu kennen und im Rahmen des eigenen Kompetenzkreises zu agieren.

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