Fundamentalanalyse: In 4 Schritten zum Erfolg

Fundamentalanalyse

Die Fundamentalanalyse ist eine Methodik, mit der wir glauben, den intrinsischen bzw. den wahren Wert eines Unternehmens näherungsweise bestimmen zu können.

Abzugrenzen von der Fundamentalanalyse ist z.B. die technische Analyse, welche die zukünftige Entwicklung des Aktienkurses aus dem Kurschart abzulesen versucht. Unserer Meinung nach haben beide Formen der Analyse ihre Daseinsberechtigung. Doch es kommt auf den Anwender an, mit welchem Ansatz er oder sie sich am wohlsten fühlt und schlussendlich handeln mag.

Wir von finvestigator setzen auf die Fundamentalanalyse, wenn wir uns für ein Unternehmen interessieren. Wir analysieren also Unternehmen und keine Charts. Das macht für uns auch absolut Sinn, denn nur so bauen wir das nötige Vertrauen auf, um Anteilseigner eines Unternehmens werden zu wollen.

Erfahre in diesem Artikel, was es für uns heißt, Fundamentalanalyse zu betreiben.

Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse

Den Beginn der Fundamentalanalyse markierte das bahnbrechende Werk Security Analysis von Graham-Dodd. Benjamin Graham war der Lehrmeister von Warren Buffett, dem wohl berühmtesten Investor aller Zeiten, und gilt als der Begründer des Value-Investing.

Vor Graham wurden Aktien nicht als Unternehmensanteile wahrgenommen. Die Börse war ein Casino, man setzte auf Rot oder Schwarz. Es wurde spekuliert. Graham bot den ersten wirklich bekannten systematischen Ansatz zur Wertpapieranalyse. Für Graham war der Wert eines Unternehmens nichts anderes als eine Funktion der Unternehmensgewinne, des -vermögens und der -schulden. Für den Investor waren außergewöhnliche Renditen ausschließlich durch außergewöhnlich günstige Käufe möglich.

Um diese günstigen von den teuren Unternehmen zu unterscheiden, entwarfen Graham-Dodd Faustregeln in Form von Kennzahlen. Zwei bekannte Kennzahlen dieser Zeit waren das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV oder im Englischen auch Price-Earnings-Ratio bzw. PE) und das Kurs-Buch-Verhältnis (KBV oder im Englischen Price-Book-Ratio bzw. PB). In der Regel verglich man eine Gruppe von Unternehmen anhand dieser oder ähnlicher Kennzahlen und stellte so fest, welche Unternehmen relativ zum Durchschnitt unter- oder überbewertet waren.

Die Fundamentalanalyse jener Zeit war also ein statistischer Ansatz. Man definierte vergleichbare Unternehmen, ermittelte die relevanten Kennzahlen, investierte Geld und wartete, dass sich die Kennzahlen wieder anglichen (heißt: Der Kurs stieg). Das Kernkonzept dieser Art zu investieren, war die Regression zur Mitte oder der Glaube, dass der Markt größere Abweichungen zwischen Preis und Wert eines Unternehmens mit der Zeit korrigieren würden.

An Informationen in Form von Unternehmensstatistiken waren zur damaligen Zeit nur aufwendig zu gelangen. Machte man sich die Mühe der Informationsbeschaffung, so konnte man aus diesem Informationsvorsprung einigen Gewinn schlagen.

Mit dem Eintritt ins Informationszeitalter sind diese Informationen heute überall und vor allem günstig verfügbar. Ein rein statistischer Ansatz ist in der Regel nicht mehr lukrativ. Dennoch: Es ist eine gute Idee, über Kennzahlen eine Vorselektion zu treffen. Auch im Zuge der Wettbewerbsanalyse ist der Kennzahlenvergleich eine nützliche Übung.

Um den Ansatz in der heutigen Zeit zu nutzen, empfehlen wir den Einsatz eines Screeners. In einem weiteren Artikel beschreiben wir dessen Konfiguration und wie wir die gewonnenen Informationen verwerten.

Das Buch „Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse“ ist übrigens weiterhin sehr zu empfehlen, da es viele Beispiele zur Unternehmensbewertung bietet. Ein kleiner Wermutstropfen ist der angestaubte Schreibstil. An der ein oder anderen Stelle hätten wir uns gewünscht, dass Ben Graham etwas schneller zur Sache käme. Da wir als investigative Investoren jedoch gerne und viel lesen, sind auch diese 1.000 Seiten schnell geschafft 😉

Zugänglicher ist sein zweites Werk „Intelligent Investieren“. Hier geht es deutlich knackiger zur Sache und es gibt einige wirklich grandiose Passagen. Warren Buffett empfiehlt übrigens insbesondere die Kapital 8 und 20.

In Kapitel 8 „Der Investor und Marktschwankungen“ dreht sich alles um Mr. Market, die Allegorie des Marktes als Handelspartner des Investors. Aus unserer Sicht lautet die Essenz, dass der Markt der Diener des Investors sein sollte. In Kapitel 20 „Die Sicherheitsmarge“ wird das Konzept des günstigen Einkaufs von Wertpapieren erklärt. Die Ideen sind zeitlos und dürften das Basisrüstzeug eines jeden Value-Investors darstellen.

Wir haben beide Bücher im Regal und lesen im „Intelligent Investor“ jährlich einige Passagen.

Doch vorerst genug von Screens, Statistik und den Urvätern des Value-Investing. Lasst uns zum Kern der Fundamentalanalyse zurückkehren: dem intrinsischen oder inneren Unternehmenswert.

Versuchte Graham den inneren Wert noch über historische Kennzahlen zu schätzen, so empfehlen wir von finvestigator einen umfassenderen Ansatz.

Die blinden Männer und der Elefant

Was ist nun der wahre Wert eines Unternehmens? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten, daher lasst es mich mit dem wohlbekannten Gleichnis „Die blinden Männer und der Elefant“ versuchen.

Sechs blinde Männer wurden gebeten zu bestimmen, wie ein Elefant aussieht, indem sie – jeder für sich – einen anderen Körperteil des Tieres untersuchen.

Der Blinde, der das Bein befühlt, sagt, dass ein Elefant wie eine Säule sei; der, der den Schwanz befühlt, dass ein Elefant sich wie ein Seil anfühle; der, der den Rüssel befühlt, dass ein Elefant Ähnlichkeit mit einem Ast habe; der, der das Ohr befühlt, dass ein Elefant wie ein Handfächer sein müsse; der, der den Bauch befühlt, dass ein Elefant sich wie eine Wand darstelle; der, der den Stoßzahn befühlt, dass ein Elefant wie eine solide Röhre sein müsse.

Ein Weiser erklärt ihnen

Ihr habt alle recht. Der Grund, warum ein jeder von euch es anders erklärt, ist der, dass ein jeder von euch einen anderen Körperteil des Elefanten berührt hat. Denn in Wahrheit hat ein Elefant alle die Eigenschaften, die ihr erwähnt habt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_blinden_M%C3%A4nner_und_der_Elefant

Ersetzt Elefant durch inneren Unternehmenswert und Ihr wisst, dass der innere Wert zuallererst eines ist: Ansichtssache! Einzig durch die Akzeptanz einer ganzen Bandbreite von Ansichten können wir zu einer Schätzgröße oder einem -intervall gelangen.

Fundamentalanalyse heißt daher für uns, dass wir uns ein Unternehmen ganz genau anschauen. Und zwar nicht nur aus einer Perspektive, sondern aus möglichst vielen Blickwinkeln und auf unterschiedlichen Ebenen. Wir wollen sicher gehen, dass wir das Unternehmen verstehen und, dass wir eine rationale Idee bzgl. der weiteren Unternehmensentwicklung haben.

Kennzahlen sind lediglich ein Blickwinkel, aber welche Perspektiven gibt es noch? Lasst uns dazu den heiligen Grad der Unternehmensbewertung diskutieren: die Discounted-Cashflow-Methode.

Statt der mathematischen Gleichung reicht uns diese simple Definition: Der Discounted Cashflow ist Summe aller, auf den heutigen Tag diskontierten, zukünftigen Cashflows, die ein Unternehmen im Laufe seines Lebens generieren wird. Um ein Unternehmen sicher bewerten zu können, müssen wir also dessen Zukunft auf den Euro genau kennen. Das ist nüchtern betrachtet unmöglich.

Narrative oder Story Investing

Doch halt: Es mag reichen, dass wir eine Idee der Zukunft skizzieren können. Zu dieser Zukunft kommen wir, indem wir uns qualitativ mit dem Unternehmen auseinandersetzen. Neben der Generierung von Kennzahlen oder KPIs, wie sie Graham vorschlug, müssen wir also auch eine oder mehrere Perspektiven für die Zukunft entwickeln.

Das ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Denn wie bereits gesagt, ist der wahre Wert letztendlich Ansichtssache. Wenn wir es schaffen, ein oder mehrere sinnvolle Storys für das Unternehmen zu entwickeln, sollten wir in der Lage sein, eine Idee des wahren Werts zu entwickeln. Die Story kann dabei eine Management Guidance sein, die Fortschreibung der Vergangenheit oder eine Spekulation aufgrund eines möglichen Ereignisses.

Das Thema Story-Investing ist natürlich nicht neu. Hierzu schrieben zum Beispiel Nobelpreis-Träger Robert J. Shiller (Autor von Narrative Economics) oder Valuation-Papst Aswath Damodaran (Autor von Narratives and Numbers). Insbesondere Aswath Damodaran möchte ich an dieser Stelle empfehlen. Er ist Professor an der Stern School of Business in New York und wohl der bekannteste akademische Name zum Thema „Valuation“. Auf seiner offiziellen Seite stellt er uns ein hochwertiges MBA-Programm und ein ganzes Spektrum relevanter Marktdaten zur Verfügung. Auf seinem persönlichen Blog gibt es jede Menge Bewertungsbeispiele und Gedanken zu aktuellen Themen. Das erstaunlichste aber ist, dass das ganze Angebot kostenlos ist. Hier findet Ihr die Links dazu:

https://aswathdamodaran.blogspot.com/

https://pages.stern.nyu.edu/~adamodar/New_Home_Page/home.htm

Ein Kernthema bei Damodaran ist die Chance of Failure oder auch das Risiko zu Scheitern. Dieses Risiko ist nie eliminiert, es schwankt nur in der Eintrittswahrscheinlichkeit. Von daher macht es Sinn zu jeder Story eine Gegenstory oder ein exklusives Ereignis zu skizzieren, dass als Gegenpol der zumeist positiven Zukunft unseres Investments-Cases dient. So können wir unsere Bewertungen innerhalb der Fundamentalanalyse auf rationale Füße stellen. Im einfachsten Fall ist das Risiko zu Scheitern lediglich ein Pauschalabschlag auf den Unternehmenswert. Es ist aber auch möglich, eine alternative Zukunft zu entwerfen und mehrere Szenarien darzustellen. Dem letztgenannten Ansatz folgen wir auf finvestigator, da sich das Negativ-Szenario so deutlich realer darstellt und es uns ganz einfach leichter fällt, das Für-und-Wider einer möglichen Investition abzuwägen.

Doch zurück zum Story-Investing: Wichtig ist, dass wir stets akzeptieren, dass jede Story lediglich eine unvollständige Perspektive darstellt. Dieser Unsicherheit müssen wir uns bewusst sein und damit in unseren Modellen arbeiten. Dabei hilft uns das Studium der Vergangenheit. Denn im Vergangenen erkennen wir Trends, Hoffnungen und Enttäuschungen sowie überraschende Wendungen. Wir können die Vergangenheit einfach nachlesen. Wir können die Vergangenheit extrapolieren und auf dieser Basis eigene Begründungen für divergierenden Geschichten einfordern.

Unternehmens-Historie als Rationalitätsanker

Die Diskussion der Zukunft (wo wollen wir hin?) ohne die Betrachtung der Vergangenheit (wo kommen wir her?) führt schnell zur Diskussion im luftleeren Raum, sprich im Vakuum. Die Vergangenheit bildet das Fundament dessen, was wir sind und ist damit auch integraler Bestandteil der Fundamentalanalyse. Graham machte dies ebenfalls, fokussierte jedoch stark auf die Unternehmenszahlen. Diese quantitative Sicht ist sinnvollerweise um eine qualitative Sicht zu erweitern, um dem Zahlenwerk einen Rahmen zu geben.

Angenommen, wir entwickeln eine Perspektive der Zukunft auf Basis eines Management-Ausblicks. War das Management bisher konservativ oder überambitioniert? Angenommen, wir entwickeln eine Perspektive der Zukunft auf Basis einer populären Idee oder einer möglichen politischen Agenda. Hatten ähnliche Ideen und Agenden in der Vergangenheit eine Wirkung? War das Unternehmen bisher in der Lage, solche Themen gewinnbringend umzusetzen? In der Vergangenheit erkennen wir Wirkungszusammenhänge und lesen über die Stärken und Schwächen der Geschäftsmodelle in den verschiedenen Marktphasen. Dieses Wissen lässt sich nicht anders gewinnen als durch die intensive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

Kurze Anekdote 1: Warren Buffett soll die Geschäftsberichte der letzten 100 Jahre von Coca-Cola gelesen haben, bevor er investierte.

Kurze Anekdote 2: Wir von finvestigator gehen weit, aber soweit nicht.

Wir von finvestigator beschäftigen uns gerne mit der Vergangenheit der Unternehmen. Wir glauben, dass es ungemein wichtig ist, zu wissen, wieso ein Unternehmen genau jetzt an genau diesem Punkt steht und nirgends anders. Wir glauben auch, dass die Vergangenheit der Schlüssel zur Zukunft ist.

Eine gute Fundamentalanalyse

Der Ersteller einer guten Fundamentalanalyse weiß um deren Unzulänglichkeit. Sie oder er weiß, dass die Interpretation der historischen Ereignisse und der mögliche Zukünfte durch die eigene Wahrnehmung verzerrt ist. Diese Unzulänglichkeiten werden durch das Einnehmen verschiedener Perspektiven und deren Abgleich zu kompensieren versucht. Jede Zahl muss ihre Geschichte haben, und diese Geschichten sollten aufeinander aufbauen.

Eine ausreichend gute Fundamentalanalyse ist also die Symbiose des zuvor geschriebenen.

  1. Wir analysieren die Geschichten der Vergangenheit (Buffett)
  2. Wir interpretieren die Zahlen der Vergangenheit (Graham)
  3. Wir entwickeln eine oder mehrere Perspektiven für die Zukunft (Shiller, Damodaran)
  4. Wir erstellen ein konsistentes Finanzmodell anhand der Perspektiven

Unsere Finanzmodelle sind Drei-Statement-Modelle (Balance Sheet, Earnings, Cash Flow), welche die normalisierten, d.h. gemittelten, Eingaben der historischen Entwicklung aufnehmen und auf dieser Basis mögliche Zukünfte entwickeln.

Das liest sich zu Recht arbeitsintensiv. Für uns ist der Fundamental Research bzw. die Fundamentalanalyse Voraussetzung vor dem Erwerb von Unternehmensanteilen. Der Kauf bzw. das Geldverdienen steht dabei jedoch nicht im Vordergrund. Denn im klassischen Sinne sucht fundamentale Forschung bzw. akademische Forschung den Erkenntnisgewinn und nicht den Verwertungsgewinn. Unser Antrieb muss die Neugier sein.

finvestigator versucht daher Erkenntnisse zu gewinnen und zu präsentieren.

Lasst uns zusammen forschen und Spaß haben =)

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